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„Das System krankt schon länger“: Ein Podiumsgespräch zur Arbeitssituation 4 starker Frauen

Letzten Donnerstag, am Abend vor dem Tag der Arbeit, fand das Online-Podiumsgespräch „Corona-Frontlines: Wo wir jetzt hin schauen müssen!“ statt.

Das Gespräch wurde von Unter Palmen in einen Podcast verwandelt und kann beim Schirmchen & Streusel Podcast nachgehört werden. 🎧

➡️ https://unterpalmen.net/aufgebacken-corona-frontlines/
➡️ https://open.spotify.com/episode/6aM14oEHdAPS5i7B5yHnti

Zu Gast waren:

  • Elisabeth Cinatl, Psychotherapeutin und Geschäftsführerin des Vereins Wendepunkt, Frauenhaus und Frauenberatungsstelle in Wiener Neustadt
  • Ernestine Holzinger, Diplomierte mobile Gesundheits- und Krankenpflegerin, Leiterin im 24h Dienst, in Obersösterreich
  • Elisabeth Hammer, Geschäftsführerin von neunerhaus, Wohnugslosenhilfe in Wien
  • und Claudia Rösler, Regalbetreuerin bei Merkur in Wien

In einem spannenden und interessanten zwei-stündigen Gespräch erzählten die vier von ihren Lebens- und Arbeitsrealitäten in der Corona-Zeit. Von Krisenstäben, Unsicherheiten, neuen Möglichkeiten und Zukunftsgedanken.

Nach einigen Erzählungen aus den letzen Wochen, stellten wir ihnen die Frage, die sich viele Linke und Aktive seit Wochen stellen: Was wünscht ihr euch von progressiven sozialen Bewegungen, in den nächsten Wochen und auch längerfristig? Was sind Kämpfe, die geführt werden müssen? Was Themen, auf die wir achten sollten?

* Gefahr der autoritären Wende und Einschränkung der Grundrechte
Krisenmanagement des Staates, wie vieler Organisationen hat mehr oder weniger autoritäre Züge angenommen und Demokratie und Partizipation eingeschränkt. Daher braucht es jetzt eine übergroße Aufmerksamkeit auf die Einschränkung und Wiedereinsetzung von Grundrechten. Wir müssen für die Zukunft alternative Formen ausprobieren und nicht vor lauter Schock Rückschritte in Bürger*innenrechten und Freiheiten hinnehmen. Wir drüfen nicht gegenseitig zur Polizei werden, sondern solidarisch miteinander sein.

* Fokus auf den Sozialstaat 
Die Corona-Krise hat uns so deutlich wie schon lange nichts aufgezeigt, wie wichtig staatliche Dienstleistungen sind. Egal, ob sie uns in der Krise relativ gut unterstützt haben, oder wir sie jetzt vermissen, da sie geschlossen wurden: gratis staatliche Leistungen in den Bereichen Gesundheit (physisch und psychisch), Solidarität und Unterstützung für Minderheiten und Randgruppen, Frauen und Kinder, Kultur, etc. sind extrem wichtig, um eine gerechte Gesellschaft aufrecht zu erhalten. Diese Bereiche sind immer wichtig, und müssen in Krisenzeiten besonders beachtet werden.

Die Rettungspakete und Finanzspritzen, die jetzt von der Regierung gezurrt werden, dürfen den Sozialstaat nicht untergraben. Corona-Finanzierungs-Maßnahmen müssen sozial gerecht gestaltet werden und auf Umverteilung setzen. Vor allem Reiche und Unternehmen müssen zur Kasse gebeten werden.

* Fokus auf Regionalisierung
Ebenfalls verdeutlicht wurde die Abhängigkeit von globalen Wirtschaftskreisläufen, in denen wir verwoben sind. Die Abhängigkeit von zB. Atemschutzmasken oder Desinfektionsmitteln aus anderen Teilen der Welt brachte damit ein Thema ans Licht, dass in der globalisierungskritischen Bewegung schon seit den 80er Jahren bearbeitet wird: Ausbeuterische Verhältnisse in Ländern des globalen Südens produzieren billige Güter für den europäischen Markt, billige Arbeitskräfte aus Osteuropa werden für unliebsame Tätigkeiten eingeflogen, etc.

Eine Regionalisierung von Produktion und Handel wäre nicht nur gut, um die Welt gegenüber globalen Krisen resilienter zu machen, und regional Arbeitsplätze zu schaffen sondern auch eine Wohltat für die Umwelt und die Klimakrise. 

* Wertschätzung von (Reproduktions)arbeit
So sehr Pflege und Lebensmittelhandel zu Beginn der Coronazeit mehr Beachtung und Wertschätzung erfuhren als sonst, so kurzlebig und oberflächlich scheint die Aufmerksamkeit gewesen zu sein. Viele Menschen und Systeme in Bereichen der privaten und gesellschaftlichen Reproduktionsarbeit waren von vor der Corona-Krise stark überlastet und müssen entlastet und wertgeschätzt werden. Faire Bezahlung, gute Arbeitsbedingungen und Anerkennung für lebensnotwendige Tätigkeiten.

* Die heiße Kartoffel: Schutz > Freiheit ?
Das Gespräch streift einige Male ein Thema, über das es schwer ist öffentlich zu reden und doch so wichtig, wenn wir uns darauf einstellen müssen, ähnliche Krisen in Zukunft wieder zu erleben. Es geht um die Frage, ob und wann der Schutz und die physische Gesundheit einiger über Freiheiten, psychische Gesundheit und Freiheit gestellt werden darf und muss. Müssen Bewohner*innen eines Altenheims so sehr vor Viren geschützt werden, dass die Bewohner*innen wochenlang gar keinen Besuch bekommen dürfen? Was rechtfertigt es, Kindern zu verbieten, mit anderen Kindern zu spielen? Wer muss welche Freiheiten zum Schutz von wem aufgeben?
Das sind Fragen, an die wir uns trotz vieler Taboo-Themen, als Linke stellen werden müssen.

* Blick aufs große Ganze
Schließlich kam auch der Wunsch an soziale Bewegungen auf, den Blick auf das Große Ganze zu richten. Soziale Einrichtungen, NGOs etc. arbeiten oft fokussiert an einem Thema oder einer Themengruppe. Dabei ist es wichtig, dass andere Verbindungen knüpfen und Kämpfe verbinden.

Die abschließende Frage nach dem einen Wort, welches die Corona-Zeit für sie zusammenfasse, beantworteten die Gäste mit: Zusammenhalt, Entschleunigung, Gleichzeitigkeit und Ausprobieren. Unseres war interessant.

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