Uns ist es wichtig, dass sich alle bei Tipping Points wohlfühlen können. Allerdings können wir das nicht in jedem Fall garantieren. Wir bemühen uns, einen Rahmen zu halten, in dem alles zeitnah angesprochen werden kann und grenzüberschreitendes Verhalten sowie Diskriminierung im besten Fall erst gar nicht zustande kommen.
Daher gilt folgendes Awareness-Konzept:
- Es gibt Personen (gekennzeichnet durch Warnwesten), die temporärer Teil des Awareness-Team sind. An sie könnt ihr euch wenden, wenn ihr euch unwohl fühlt oder etwas passiert ist.
- Personen vom Organisationsteam sind auch stets ansprechbar für Fragen jeglicher Art oder wenn ihr Feedback geben wollt.
- Zusätzlich gibt es eine Feedbackbox an der Feedback-Station, wo ihr anonym und laufend Feedback geben könnt.
- Es gibt eine Telefonnummer, über die das Awarenessteam rund um die Uhr erreichbar ist. Ihr findet sie vor Ort ausgehängt und in den Teilnehmer*innen-Mappen
Was meinen wir mit Awareness? Vor welchem Hintergrund arbeiten wir?
Wir sind alle in einer Gesellschaft groß geworden, die von Ungleichheits- und Herrschaftsverhältnissen geprägt ist, wo Gewalt und Diskriminierung auf vielen Ebenen vorhanden sind. Strukturelle und institutionelle Gewalt, wie sie sich beispielsweise in gesellschaftlichen Normen, Zuschreibungen und Zuordnungen zu bestimmten Bereichen manifestiert, haben wir verinnerlicht und reproduzieren sie oft in unserem Verhalten und unseren Beziehungen.
Unser Ziel bei Tipping Points ist es, dass sich alle Teilnehmer:innen wohl fühlen können. Leider gelingt uns das nicht immer von selbst, da wir alle von der Welt um uns herum geprägt sind. Diese Prägungen beinhalten auch deren negative Aspekte wie Diskriminierung, Unterdrückung und Ungleichheiten.
Während Tipping Points möchten wir offen, gemeinsam und konstruktiv mit Kritik an sexistischen, rassistischen, antisemitischen, homo-, trans- und queerfeindlichen, ableistischen oder ähnlichen Äußerungen und Verhaltensweisen umgehen. Um unserem Ziel einer befreit(er)en Gesellschaft näher zu kommen, ist es notwendig, dass jede:r Einzelne Verantwortung übernimmt. Wir kommen aus unterschiedlichen Bewegungen, Orten, Räumen und mit unterschiedlichen Zugängen und Schwerpunkten zusammen. Wir wollen einen Raum schaffen, in dem sich Menschen trauen, Fragen zu stellen und ihre Meinung zu sagen. Es soll aber auch möglich sein, seine Meinung zu ändern und sich aneinander in Kritik zu üben. Keinen Platz haben gewalttätiges Verhalten, Machtspiele oder andere Formen von persönlicher und kollektiver Abwertung.
Zum jetzigen Zeitpunkt kann das Awareness-Team von Tipping Points vor allem vor Ort interagieren. Wir haben aktuell keine Struktur, um Täter:innen- Verhalten mit diesen langfristig aufzuarbeiten und können derzeit keine langfristige Betroffenen-Begleitung versprechen.
Wir wünschen uns einen achtsamen Umgang miteinander!
Wir fordern jede:n zu Achtsamkeit und Aufmerksamkeit im Miteinander auf. Achte auf deine Grenzen und Bedürfnisse und respektiere die der anderen. Wir wünschen uns ein Klima, in dem alle zu Wort kommen können und in dem verschiedene Stände von (Un)Wissen produktiv zusammengebracht werden. Dafür ist es wichtig, sich gegenseitig respektvoll zuzuhören. Lasst einander ausreden und seid offen für Positionen anderer – solange darin keine Diskriminierung oder Grenzüberschreitung ausgedrückt werden.
Wenn sich eine Person nicht an das Awareness-Konzept hält?
Sollte sich eine Person grenzüberschreitend oder anderweitig nicht dem Awarenesskonzept entsprechend verhalten, suchen wir als Tipping Points-Team in Absprache mit der/den betroffenen Person(en) das Gespräch mit der übergriffigen Person. Bei einsichtigem Verhalten versuchen wir gemeinsam Umgangsweisen zu erarbeiten, die ermöglichen, dass sich alle sicher bei Tipping Points fühlen und weiterhin teilnehmen können. Grundlegend sind für uns immer die Sichtweise und Bedürfnisse der betroffenen Person(en). Sollte ein Gespräch nicht ermöglichen, dass der Konflikt bearbeitet wird und/oder sich die übergriffige Person nicht einsichtig zeigen, dann muss diese Tipping Points verlassen. Wir führen solche Gespräche immer mit zwei Personen aus unserem Team und übernehmen auch die Aufgabe, die Rettung oder im äußersten Fall die Polizei zu rufen. Die Teilnehmenden sollen die Polizei nicht selbstständig rufen – wir wollen ermöglichen, dass alle den Veranstaltungsort verlassen können, wenn sie keinen Polizeikontakt haben möchten.
Konkrete Tipps
1) Bedachtes Redeverhalten
Eine angenehme und sichere Gesprächsatmosphäre bedeutet, dass sich möglichst viele Menschen ermutigt fühlen, zu sprechen. Wir rufen daher dazu auf, das eigene Redeverhalten in Gruppendiskussionen zu beobachten und zu hinterfragen: Je nachdem, wie wir sprechen, kann es passieren, dass sich andere Teilnehmende unwohl fühlen oder bestimmte Perspektiven aus der Diskussion ausgeschlossen werden. Zu sogenanntem „dominanten Redeverhalten“ zählen u.a.:
- lange, selbstgefällige Monologe,
- das (wiederholte) Unterbrechen anderer,
- Zwischenkommentare,
- diskriminierende Sprache sowie
- dominante Kommunikationsmuster, die andere nicht direkt verbal angreifen, aber trotzdem die eigene (privilegierte) Stellung in einer Diskussion absichern. Das kann zum Beispiel die (teilweise unbewusste) Raumeinnahme von cis Männern sein, die andere belehren, deren Kritik ignorieren und deren Beiträge für weniger wichtig halten.
2) Was tun bei Diskriminierung oder Grenzverletzung?
Hat eine Person Gewalt, Übergriff(e) und/oder Diskriminierung erlebt, gilt die Sichtweise der betroffenen Person, d.h. sie schildert, wie sie das Erlebte wahrgenommen hat und daran orientieren wir uns als Awareness-Team für weitere Schritte. Manche Erlebnisse schlagen sich so stark nieder, dass die überwältigende Erfahrung zu einer Ohnmacht führt.
Frag im Zweifel nach, ob eine Situation, die du beobachtest, für die betroffene Person gerade in Ordnung ist. Bereits das Gefühl, nicht allein zu sein, kann manchmal schon ausreichen, um die eigene Kraft wiederzufinden.
Sei dir bewusst, dass andere Personen Grenzverletzungen und Diskriminierungen wahrnehmen können, auch wenn du sie nicht siehst!
Bist du von einer konkreten, grenzverletzenden Situation betroffen, stehen deine Bedürfnisse im Mittelpunkt, nicht die der verursachenden Person. Melde dich/meldet euch bei Awareness-Ansprechpersonen in den Warnwesten.
| Der Begriff “Awareness” entstand in der antirassistischen Bildungsarbeit. Im US-amerikanischen Raum tauchte der Begriff etwa ab den späten 1980er-Jahren zunehmend in pädagogischer Literatur auf, die sich mit Bildungsarbeit und Diskriminierung befasst. Er ist nicht zu verwechseln mit “Awareness” in anderer Bedeutung in psychologisch-therapeutischen oder spirituellen Zusammenhängen, wie beispielsweise in der Achtsamkeitslehre, wo er jedoch ohne einen politischen Anspruch oder den Bezug auf Machtverhältnisse verwendet wird |